Zur Person
Tahir Della ist Mitglied im Vorstand der Initiative Schwarze Menschen in Deutschland - ISD Bund e.V. und Trainer bei glokal e.V. Zusätzlich ist er Fachreferent Dekolonisierung im Berliner Promotorenprogramm “Eine Welt” für Postkolonialismus und Antirassismus. Er setzt sich ein für die Interessen Schwarzer Menschen in Deutschland und für eine Gesellschaft ohne Rassismus.
Tahir Della ist Mitglied im Vorstand der Initiative Schwarze Menschen in Deutschland - ISD Bund e.V. und Trainer bei glokal e.V. Zusätzlich ist er Fachreferent Dekolonisierung im Berliner Promotorenprogramm “Eine Welt” für Postkolonialismus und Antirassismus. Er setzt sich ein für die Interessen Schwarzer Menschen in Deutschland und für eine Gesellschaft ohne Rassismus.
„Ich bin absolut der Meinung, dass sich Deutschland seiner kolonialen Vergangenheit stellen muss, also sich verantwortlich zeigen muss. Es muss Auseinandersetzungen geben, die deutlich machen, dass man eine Versöhnung mit den ehemaligen Kolonisierten will. Das muss natürlich auch beinhalten, dass man Reparationen zahlt.“
- Tahir Della
„Ich bin absolut der Meinung, dass sich Deutschland seiner kolonialen Vergangenheit stellen muss, also sich verantwortlich zeigen muss. Es muss Auseinandersetzungen geben, die deutlich machen, dass man eine Versöhnung mit den ehemaligen Kolonisierten will. Das muss natürlich auch beinhalten, dass man Reparationen zahlt.“
- Tahir Della
Transkript
Welches Wort fällt Ihnen zum Humboldt Forum / Berliner Schloss ein?
Zum Humboldtforum fällt mir ein Wort ein, was immer wieder aufpoppt: Kontinuitäten.
Ich denke, dass mit der Umsetzung vom Humboldtforum deutlich wird, dass die Verhältnisse zwischen den ehemaligen Kolonisierten und den ehemals Kolonisierenden immer noch sehr stark von einem Machtgefüge, Machtverhältnissen geprägt sind. Das heißt: Die ehemaligen Kolonisierer, der Globale Norden bestimmt immer noch die Rahmenbedingungen, die Aushandlungen, wie Kolonialgeschichte aufgearbeitet, sichtbar gemacht wird, wie mit Beutekunst umgegangen wird. Und, das zeigt auch, dass es ein sehr problematisches Verhältnis ist. Das heißt: Die Beteiligten, die ehemaligen Kolonisierten kommen selten zu Wort in dem Kontext, haben auch kaum Möglichkeit der Einflussnahme auf diese Diskurse und diejenigen, die sozusagen diese Beutekunst oder diese Beutegegenstände nach wie vor in den europäischen und deutschen Museen sammeln, sehr selten bereit sind, sich auf das eigentliche zu konzentrieren, nämlich zum Beispiel die Provenienzforschung voranzutreiben. Also die Forschung sozusagen, unter welchen Umständen diese Gegenstände nach Europa kamen, nach Deutschland kamen und auch zu klären, ob eben Beutekunst auch zurückgegeben werden muss. Und das wird meistens versucht zu vermeiden. Man versucht lieber mit Konzepten das Ganze zu verschönigen und eigentlich doch darauf zu bestehen, die Gegenstände bei sich zu behalten.
Glauben Sie, Deutschland sollte an die vom Genozid 1904-08 betroffenen und damals enteigneten Herero und Nama-Gemeinschaften Reparationen zahlen?
Ich bin absolut der Meinung, dass Deutschland sich seiner kolonialen Vergangenheit stellen muss – verantwortlich stellen muss -, dass es Auseinandersetzungen geben muss, die deutlich machen, man will eine Versöhnung, eine Aussöhnung haben mit den ehemaligen Kolonisierten und das natürlich auch beinhalten muss, dass man Reparationen zahlt.
Deutschland hat sich nach über hundert Jahren, endlich auf den Weg gemacht den Genozid in Namibia aufzuarbeiten und stellt aber gleich, im Kontext auch Bedingungen, unter welchen diese Auseinandersetzung stattfinden soll. Das heißt: Man hat von vorneherein ausgeschlossen, dass es Reparationen geben soll. Das ist keine Auseinandersetzung auf Augenhöhe, sondern das ist ein Fortführen kolonialer Verhältnisse, dass sozusagen festgestellt wird: Man ist nicht bereit, wirklich für so einen Schaden aufzukommen, für das, was angerichtet worden ist, auch wirklich sich verantwortlich zu zeigen und auch deutlich zu machen, dass die Beteiligten auch alle am Tisch sitzen. Jetzt sitzt nur die Regierung von Namibia am Verhandlungstisch. Die Opferverbände sind nicht beteiligt an den Diskursen und Verhandlungen. Und das ist problematisch, weil es wiederum zeigt, man bestimmt, mit wem man verhandelt, mit wem man spricht und was man sozusagen auch am Ende raus haben will.
Man will das Thema vom Tisch haben. Der Verhandlungsführer für Deutschland hat gesagt er will bis Januar dieses Thema erledigt haben. Und das zeigt wiederum, dass man nicht wirklich an einem Prozess interessiert ist, sondern, dass man eigentlich das Thema quasi als leidiges Thema vom Tisch haben möchte und sich nicht weiter damit beschäftigen will.
Glauben Sie, dass in Berlin ein zentrales Mahnmal und ein Informationszentrum zum Versklavungshandel / Kolonialismus / Rassismus errichtet werden sollte?
Seit sehr langer Zeit ist die Schwarze Community, die afrikanische Community in Deutschland dabei, die kolonialen Spuren im öffentlichen Raum sichtbar zu machen.
Wir sind auch der Meinung: Es braucht eine übergreifende Erinnerungspolitik auch für die Kolonialgeschichte und dazu gehört natürlich auch ein Denkmal, ein Mahnmal für die Versklavten, für die Kolonisierten, um deutlich zu machen: Deutschland war ein Akteur in der Kolonialgeschichte, es hat Vorteile daraus bezogen und profitiert nach wie vor davon. Und es muss deutlich gemacht werden, dass es eben auch Menschen gibt in Deutschland, in Europa, die unter diesen Folgen auch immer noch leiden und auch sichtbar machen wollen, was geschehen ist. Also, es gibt kaum ein Bewusstsein in der deutschen Öffentlichkeit über das, was Deutschland in seiner Kolonialgeschichte angerichtet hat und auch kaum Denkmäler, die daran erinnern. Deswegen bin ich durchaus der Meinung oder absolut der Meinung, dass wir so ein Denkmal brauchen, um deutlich zu machen: Deutschland stellt sich seiner Verantwortung.
Was sagen Sie zu den zahlreichen menschlichen Gebeinen aus dem Globalen Süden in deutschen Museumssammlungen?
Eins der schlimmsten Erben der Kolonialgeschichte, der deutschen Kolonialgeschichte, ist, dass durch fragwürdige Forschungsaktivitäten Gebeine von Menschen aus den ehemaligen Kolonien nach Europa, nach Deutschland kamen. Diese Gebeine sind nach wie vor in Deutschland. Es werden, anstatt weniger, immer mehr, die gefunden werden, wo immer mehr deutlich wird, in welchem Umfang das ganze stattgefunden hat. Und auch hier zeigt sich Deutschland nicht wirklich verantwortlich diesem Thema gegenüber, weil immer noch damit argumentiert wird, ja, zu dem Zeitpunkt war nicht deutlich, was man mit diesen Gebeinen machen will. Tatsächlich – das Beispiel Namibia hat es gezeigt – sind diese Gebeine unter wirklich sehr schlimmen Umständen nach Deutschland gekommen. Sie kamen aus dem Konzentrationslager in Namibia. Und auch hier tut sich Deutschland schwer, endlich mal konsequent das aufzuarbeiten, sichtbar zu machen und auch hier wiederum den ehemaligen Kolonisierten gegenüber deutlich zu machen: Man will einen Prozess der Aussöhnung. Das heißt: Man weigert sich eigentlich nach wie vor, den Fokus darauf zu legen. Stattdessen versucht man mit Hinhaltetaktiken das Thema wirklich nicht zu bearbeiten. Und das zeigt, wie gesagt, wie stark dieses Verhältnis immer noch von diesem kolonialen Denken geprägt ist.
Für wie wichtig halten Sie die (gleichberechtigte und konzeptionelle) Beteiligung der Nachfahren Kolonisierter an Maßnahmen zur Aufarbeitung der Kolonialvergangenheit (Reparationsverhandlungen, Museen, Ausstellungen, Schulbuchdarstellungen, Straßenbenennungen, etc.)?
Ich bin immer wieder überrascht, wie wenig auf Wissensstände von Menschen afrikanischer Herkunft, Schwarzen Menschen zurückgegriffen wird. Die Wissensstände sind in den letzten dreißig Jahren enorm angewachsen über die Kolonialgeschichte Deutschlands. Und es ist ganz selten der Fall, dass die Akteure hier in Deutschland – Museen zum Beispiel oder Sammlungen – auf die Aktivist_innen, auf die Forscher_innen der Diaspora zugehen, um ihre Wissensstände mit ihnen zu teilen, um deutlich zu machen: Es gibt unterschiedliche Perspektiven auf die Kolonialgeschichte und bislang ist die Perspektive der ehemaligen Kolonisierer prägend für die Auseinandersetzung, für die Aushandlung der Kolonialgeschichte und das muss sich, meines Erachtens, ändern. Das heißt: Es muss sozusagen ein Perspektivwechsel nicht nur stattfinden, indem man sich diesem Thema endlich widmet und zuwendet, sondern es muss auch deutlich werden, dass man auch in den Verhältnissen zu den ehemaligen Kolonisierten ein gleichberechtigtes Miteinander anstrebt. Das heißt: Einen Prozess einleitet, um deren Perspektiven deutlicher werden zu lassen, sichtbarer zu machen und auch wirklich an den Aushandlungen aktiv zu beteiligen. Das heißt: In der Verantwortung zu stehen als ehemaliger Kolonisierer, auf die Menschen der Diaspora zuzugehen und sie einzuladen- nicht darauf zu warten, dass sie das immer fordern- sondern wirklich proaktiv auf die Menschen zuzugehen und sie einzubinden in diesen Prozess, ist, meines Erachtens, sehr sehr notwendig und längst überfällig.