Zur Person
Abdel Amine Mohammed hat Verwaltung und Politikwissenschaften, sowie Französische Philologie an der Universität Potsdam studiert.
Abdel Amine Mohammed hat Verwaltung und Politikwissenschaften, sowie Französische Philologie an der Universität Potsdam studiert.
Seine Interessensgebiete umfassen kritische Entwicklungstheorien, postkoloniale Theorien, Empowerment Workshops für Schwarze Menschen und People of Colour in Arbeitszusammenhängen, Einführungsseminare zu Whiteness Awareness-Workshops für Angehörige der weißen Mehrheitsgesellschaft (auch in Arbeitszusammenhängen), Rassismustheorien, deutsche Kolonialgeschichte, Theorien und Konzepte rassismuskritischen und antirassistischer Bildung, sowie verschiedene Praxisprojekte zu Migration und Community Networking.
„Ich mache jetzt schon seit Jahren Führungen und meistens, wenn ich die Frage zum Kolonialismus stelle, ist eine gewisse Zurückhaltung aber auch Unwissenheit dabei, weil es nicht Thema ist in der Schulbildung, aber auch nicht präsent im Gesellschaftsdiskurs.“
- Abdel Amine Mohammed
„Ich mache jetzt schon seit Jahren Führungen und meistens, wenn ich die Frage zum Kolonialismus stelle, ist eine gewisse Zurückhaltung aber auch Unwissenheit dabei, weil es nicht Thema ist in der Schulbildung, aber auch nicht präsent im Gesellschaftsdiskurs.“
- Abdel Amine Mohammed
Transkript
Welches Wort fällt Ihnen zum Humboldt Forum / Berliner Schloss ein?
Zum Humboldt Forum fällt mir nur auf wie viel in das Projekt Geld gesteckt wird. Also wieviele hunderte von Millionen. Um einfach so größtenteils Beutekunst aus ehemaligen Kolonien hier auf das Podest zu stellen.
Und auch nochmal im Hinblick auf Debatten, die in dem Zusammenhang laufen zwischen [dem] Projektinhaber und den Menschen, also den Betroffenen aus den verschiedenen Kolonien und auch den Initiativen, die sich hier damit auseinandersetzen. Ich finde es unerhört, dass die Stadt Berlin sich überhaupt nicht konkret dazu äußert. Sondern einfach immer wieder Debatten [führt] oder Positionen bezieht, die nirgendwo hinführen. Und [sie] tun so als ob damit alles erledigt und geklärt wäre, was nicht der Fall ist. Deshalb finde ich das Projekt muss A) nicht unbedingt stattfinden. Also leider ist es schon so weit vorangetrieben, dass man das nicht mehr stoppen kann. Was man aber mindestens machen könnte, wäre einfach mal die Stimmen zu hören, die Position beziehen. Wie z.B. zu den Rückgaben von tausenden von gestohlenen Kunstgegenständen aus – ich weiß nicht wie vielen- ehemaligen Kolonien oder Ländern, die man unter kolonialer Besatzung ausgeraubt hat. Und die Gegenstände, die werden hier im Keller in irgendwelchen Museen oder in Boxen [gelagert]. Also das fällt mir jetzt so spontan ein.
Glauben Sie, Deutschland sollte an die vom Genozid 1904-08 betroffenen und damals enteigneten Herero und Nama-Gemeinschaften Reparationen zahlen?
Ja, also eine Reparationszahlung, das ist immer ein schwieriges Thema. Allein aufgrund der Tatsache, dass die Aggressoren, also die Täter der Kolonialzeit immer Angst davor haben Privilegien abzugeben. Also [davor, das] Gesicht zu verlieren und überhaupt Geld an die Opfer, an Nachfahren von Opfern zu zahlen. Also, ich kann nachvollziehen, dass da Vorbehalte [da sind] beziehungsweise so eine Status quo-Erhaltung herrscht, finde das aber überhaupt nicht gerechtfertigt. Also ich finde, da muss man erstmal gucken, worum geht es bei Reparationsforderungen? Also da geht es nicht immer nur um Geld. Es geht auch meistens darum, eine gewisse Haltung den Geschehnissen gegenüber zu entwickeln. Um eben das Zusammenleben, Miteinanderleben dadurch auch ein Stück weit zu verbessern. Also es nützt keinem, also weder den Deutschen noch den Namibianern -also Herero und Namanachfahren – einander immer auf Kriegsfuß zu begegnen. Das hat man in anderen Kontexten so überhaupt nicht gemacht. Weil es immer so ist, dass Themen, die Kolonialismus betreffen bagatellisiert werden, wirkt so eine Haltung, als ob sie normal wäre oder natürlich. Dabei ist es überhaupt nicht natürlich oder normal. Da muss man wirklich über den eigenen Schatten springen können und die Sachen so ansprechen, wie sie sind. Es [ist] ein Genozid passiert. Darüber muss man reden. Man muss auch versuchen einen Kompromiss zu finden. Der Kompromiss kann nicht mit einem Hilfsangebot im Sinne von EZ, also Entwickelungszusammenarbeitsleistungen abgedeckt oder irgendwie ersetzt werden. Sondern [wir müssen] genau das ansprechen, was passiert [ist]. Es war ein Genozid. Und wie Genozide im Nachgang bearbeitet werden ist klar definiert, per Gesetz aber auch vom Menschenverstand. Also deshalb hilft da kein Umweg oder keine Status Quo-Erhaltung, sondern einfach direkt und ehrlich mit der Thematik umzugehen.
Glauben Sie, dass in Berlin ein zentrales Mahnmal und ein Informationszentrum zum Versklavungshandel / Kolonialismus / Rassismus errichtet werden sollte?
Ein zentrales Mahnmal und Gedenkstätte muss [es] auf jeden Fall im Zusammenhang mit Versklavung und Kolonialismus hier, also nicht nur hier in Berlin, sondern generell in Deutschland geben. […]Also ich mach jetzt schon seit Jahren Führungen und meistens wenn ich die Frage zu Kolonialismus stelle, ist immer eine gewisse Zurückhaltung, aber auch Unwissen dabei. Und weil es nicht Thema ist in [der] Schulbildung, aber auch nicht präsent in dem Gesellschaftsdiskurs, wird es niederschwellig behandelt. Deshalb hilft es, – also nicht nur durch Mahnmale und Gedenkstätten wird das aus der Welt geschaffen- aber mindestens erfährt es eine gewisse Öffentlichkeit, weil viele Menschen, die die Mahnmale und Gedenkstätten besuchen werden und dadurch auch mit der Thematik konfrontiert werden und so werden sie dann auch aufmerksam darauf. Und bestimmte dumme Kommentare und Annahmen werden dadurch auch abgeschafft. Wenn z.B. mir einer die Frage stellt: „Kommst du aus einer unserer ehemaligen Kolonien?“ Also da wirkt eine klare Ignoranz darüber was Kolonie und Kolonialismus überhaupt bedeutet. Und ich glaube diejenigen würden mir die Frage nicht stellen, wenn ich ein weißer Jude wäre. Dann hätte er oder sie mir nicht die Frage gestellt: „In welches KZ wurden deine Eltern deportiert?“ Und [das] finde ich sehr problematisch. [Kolonialismus] wird bagatellisiert, bis hin zu lächerlich gemacht. Also das ist einfach sozusagen ein hipper Begriff geworden, der wahlweise oder beliebig verwendet wird. Ja, es gibt ein Kolonialmode. Also deshalb wird das überhaupt nicht so richtig ernst genommen, was in der Kolonialzeit, im Kolonialismus, in den Kolonien passiert ist. Obwohl es zu der Zeit und auch heute in Büchern zu lesen ist, ist trotzdem die Wahrnehmung und überhaupt die Auseinandersetzung damit sehr banal. Das muss anders sein. Es muss geändert werden.
Was sagen Sie zu den zahlreichen menschlichen Gebeinen aus dem Globalen Süden in deutschen Museumssammlungen?
Also zu menschlichen Gebeinen. Immer, wenn ich darüber reden muss, denke ich, dass kann nicht wahr sein, dass bis heute noch Debatten darüber geführt werden müssen! Bevor man überhaupt versteht, dass es grausam ist, dass es eklig ist! Man muss erstmal aufklären, dass die Gebeine, um die es geht, von Menschen sind, die also z.B. im Falle von Namibia, Menschen sind, die in solchen Konzentrationslagern umgekommen sind. Die geköpft wurden und denen auch andere Körperteile abgetrennt wurden, [welche] gekocht [wurden]. Und dann im Anschluss wurden Frauen und Kinder damit beauftragt, die Haut von den Schädeln und Körperteilen zu entfernen. Allein dieser Prozess ist grausam genug, um die Gebeine jetzt nicht mehr bei sich haben zu wollen. Aber klar, es gibt die Gegenseite von so genannten „Forschern“, die weiterhin noch an den Gebeinen forschen. Und da stelle ich mir die Frage: „Was forschen sie jetzt noch im 21. Jahrhundert?“ Dass da überhaupt ein Wissenschaftler – also für mich ist das kein Wissenschaftler – also ein sogenannter „Wissenschaftler“ sich solche Gebeine als Untersuchungsgegenstand vorstellt! Das ist unerhört! Und ich sag es nochmal, sowas ist einfach nur in einem kolonialen Kontext und besonders im afrikanischen Kontext möglich. Nur in diesem Kontext wird das geduldet. Trotzdem finde ich das einfach erbärmlich, eklig darüber zu reden, [erbärmlich] jemanden anzuflehen solche Gebeine abzugeben und zurückzuführen. Das sollte [in] Deutschland überhaupt nicht passieren.
Für wie wichtig halten Sie die (gleichberechtigte und konzeptionelle) Beteiligung der Nachfahren Kolonisierter an Maßnahmen zur Aufarbeitung der Kolonialvergangenheit (Reparationsverhandlungen, Museen, Ausstellungen, Schulbuchdarstellungen, Straßenbenennungen, etc.)?
Zur Aufarbeitungsarbeit, denke ich, dass es einfach von höchster Priorität oder notwendig ist, dass Nachfahren aus den ehemaligen Kolonien überhaupt daran beteiligt werden und zwar primär. Es sollte eigentlich ihnen die Möglichkeit gegeben [werden] die Konzepte zu erstellen [für] einen Prozess, [dafür] wie man arbeiten möchte. Es darf nicht umgekehrt sein [und] von top-down passieren. Sondern [es soll] von den „Opfergruppen“ in Anführungszeichen kommen. Nur so kann ich mir ein rassismusfreie[s], aber auch ein legitimiertes Verfahren vorstellen, mit dem man in so einem Kontext arbeiten kann. Andersrum würde es immer wieder nur zu Bagatellisierung, bis hin zu Ausschlusskriterien führen. Wenn wir die und die an Bord haben, [so wird argumentiert], kommt man gar nicht vorwärts. So geht das nicht. Das geht nicht. Man müsste auch woanders gucken wie es läuft. Ich glaube nicht, dass die Bundesregierung [der] jüdischen Community von oben herab vorgeschrieben hat, wie eine Aufarbeitung der Shoa passieren sollte. Und an Strukturen und an kompetenten Köpfen mangelt es nicht in der afrikanischen Community oder in anderen Communities. Beweis dafür [sind] die vielen Initiativen und Veranstaltungen, die heute in den diversen Communities stattfinden. Aber auch zusammen mit Unterstützer*innengruppen, die ziemlich engagiert sind und jeden Tag unterwegs sind mit der Thematik. Es mangelt nicht an Expertise, es mangelt nicht an Initiative, es mangelt auch nicht an Know-How wie man an der Thematik arbeiten kann. Es braucht nur den guten Willen der Politik, um die Konzeption zu gestalten, um ein Budget [bereitzustellen], je nach dem was man dafür benötigt. Also z.B. für Schulbücher gibt es x Beispiele aus den Communities. Man muss sich einfach anschauen, was wird kritisiert, wie kann man daran arbeiten. Es gibt schon ganz viele Vorlagen, die müsste man einfach benutzen. Und es gibt in der Community [viele], die schon über Jahre an solchen Konzepten arbeiten.