Karen Taylor setzt sich für einen machtkritischen rassismussensiblen Feminismus und eine postkoloniale Erinnerungskultur im Berliner Stadtbild ein.

Karen Taylor setzt sich für einen machtkritischen rassismussensiblen Feminismus und eine postkoloniale Erinnerungskultur im Berliner Stadtbild ein.

Sie ist Mitglied der Initiative Schwarze Menschen in Deutschland ISD, im Bündnis “Völkermord verjährt nicht!” und ist stellvertretende Landesvorsitzende der AG Migration & Vielfalt in der SPD Berlin. Unter anderem hat sie die Reihe Frauen. Macht. Vielfalt! organisiert, referiert und moderiert verschiedene Veranstaltungen zu Themen wie Rassismus in Verbindung mit Justiz und Feminismus und ist Autorin bei der linkspolitischen Zeitung vorwärts.

"Ich würde mir nur wünschen, dass die Betroffenen, dass die Community, die Diaspora hier in Deutschland auch die Chance hat, in einem Mahnmal, in einer Gedenktafel selber zum Ausdruck zu bringen, wie sie die Zeit heute sieht, und was heute noch bei der Bevölkerung ankommen muss."

 - KAREN TAYLOR

"Ich würde mir nur wünschen, dass die Betroffenen, dass die Community, die Diaspora hier in Deutschland auch die Chance hat, in einem Mahnmal, in einer Gedenktafel selber zum Ausdruck zu bringen, wie sie die Zeit heute sieht, und was heute noch bei der Bevölkerung ankommen muss."

 - KAREN TAYLOR


Welches Wort fällt Ihnen zum Humboldt Forum / Berliner Schloss ein?

Eigentlich fallen mir mehrere Wörter ein. Neokolonialismus, weiße Ignoranz, weiße Arroganz. Warum? Weil ich das Gefühl habe, dass die Community, dass sich NGOs, dass sich aber auch staatliche Institutionen geäußert haben zum Humboldt Forum, ihre Kritik geäußert haben und die so gar nicht gehört wird und wenn nur alibimäßig als reine Protestbewegung abgetan wird. Dabei haben sich schon etliche auch Wissenschaftler fundiert dazu geäußert, warum das Konzept des Humboldt Forums so wie es jetzt noch konzipiert wird und auch realisiert werden soll, nicht geht. Daher diese Begriffe.

Glauben Sie, Deutschland sollte an die vom Genozid 1904-08 betroffenen und damals enteigneten Herero und Nama-Gemeinschaften Reparationen zahlen?

Ich glaube es sind zwei Aspekte, die da ganz wichtig sind. Zum einen eine ernst gemeinte Entschuldigung und zum anderen die Reparation, die mit einer ernst gemeinten Entschuldigung verbunden ist. Weil es für mich neben den Reparationen auch eine Frage des Respekts ist. Die Herero und Nama haben ihre Forderungen vorgetragen. Was wird wie gehört? Und was wird wie akzeptiert? Die Bundesregierung hat ja jetzt in den Verhandlungen, die Herr Polenz für Deutschland führt, den Aspekt der Entschuldigung ausgegriffen und den Aspekt der kulturellen Erinnerungsprojekte, hat aber direkt von vorn herein die Reparationen ausgeschlossen. Das geht meiner Meinung nach nicht, allein weil die einzelnen betroffenen Gruppen diese Forderung schon vorgebracht haben. Wie die Reparationen ausgestaltet werden, das ist dann ein zweiter Schritt, über den man sprechen kann und auch muss. Das aber von vorn herein auszuschließen, aus offenen Verhandlungen, wie sie genannt wurden, ist meiner Meinung nach falsch.

Glauben Sie, dass in Berlin ein zentrales Mahnmal und ein Informationszentrum zum Versklavungshandel / Kolonialismus / Rassismus errichtet werden sollte?

Morgen in Berlin – morgen ist der 25. Februar – findet der Gedenkmarsch für die Opfer des Kolonialismus in Berlin statt. Wenn ich so in meinem Freundeskreis, in meinem Dunstkreis, bei mir auf der Arbeit rumfrage, ob Personen schon mal von diesem Gedenkmarsch, geschweige denn vom Kolonialismus in Deutschland gehört haben, die Geschichte kennen, sehe ich in ganz viele fragende Gesichter und allein deshalb glaube ich, dass es wichtig ist, dass auch im Stadtbild der Opfer der Versklavung gedacht wird, zumal wir solche Zeichen auch auf anderer Seite haben. Also, wir haben das afrikanische Viertel im Wedding, wir haben die M-Straße in Mitte. Also es ist nicht so, dass es nicht Teil des Stadtbilds oder der Stadtgeschichte wäre. Ich würde mir nur wünschen, dass die Betroffenen, dass die Community, die Diaspora hier in Deutschland auch die Chance hat, in einem Mahnmal, in einer Gedenktafel selber zum Ausdruck zu bringen, wie sie die Zeit heute sieht, und was heute noch bei der Bevölkerung ankommen muss.

Was sagen Sie zu den zahlreichen menschlichen Gebeinen aus dem Globalen Süden in deutschen Museumssammlungen?

Eine ganz ganz schwierige Geschichte, mit der ich mich auch beruflich beschäftigt habe. Es ist zum einen, dass wir über Gebeine sprechen, was ja human remains sind. Das sind keine Objekte, sondern … ja, Überreste von Familienangehörigen, die einen claim auf diese Gebeine haben oder zumindest die Staaten haben claims auf diese Gebeine. Und jetzt in der Vorbereitung auch auf dieses Gespräch, bin ich über komische Interviews gestolpert, die das Ganze so sehr objektiviert haben, die von Forschungsobjekten ausgegangen sind, die das Humane aus diesen Überresten genommen haben. Und dementsprechend bin ich der Meinung, dass es eigentlich Verträge dazu geben muss, die die Rückführung oder die Restitution dieser Gebeine veranlassen. Es gab ja schon erste Bestrebungen, ich kann nicht genau sagen woran es hakt. Denn eigentlich sind die Forderungen klar, es ist auch klar wo sie sind. Es müsste nur zusammenkommen… die beiden Seiten.

Für wie wichtig halten Sie die (gleichberechtigte und konzeptionelle) Beteiligung der Nachfahren Kolonisierter an Maßnahmen zur Aufarbeitung der Kolonialvergangenheit (Reparationsverhandlungen, Museen, Ausstellungen, Schulbuchdarstellungen, Straßenbenennungen, etc.)?

Das ist besonders wichtig, weil wir ja auch viel über Selbstbezeichnungen sprechen, über Aneignung, über Selbstermächtigung und in diesen Kontexten die Berichterstattung der Geschichte war – plakativ vielleicht auch – aber ganz kurz formuliert: Der Westen gegen den Globalen Süden. Wenn wir auch in ethnologischen Museen unterwegs sind, ist klar, der Westen erzählt über den Rest der Welt. Und diese Perspektive bleibt insofern eurozentristisch, als dass sie all die anderen Gesichtspunkte ausklammert. Und für eine umfassende Berichterstattung, die ja möglich ist, wäre es wichtig alle Perspektiven mit einzubeziehen. Das ist es zum Einen. Zum Anderen werden wir ja auch immer wieder damit konfrontiert. Wir werden mit Bezeichnungen konfrontiert. Sei es jetzt die Beleidigung „N*“ oder die Beleidigung „M*“ und dort wäre es besonders wichtig, dass gehört wird, weshalb wir diese Worte nicht als Bezeichnungen annehmen können, weshalb sie beleidigend sind. Und ich denke, die Diskussionen und Auseinandersetzungen, die ja teilweise über solche Begriffe geführt werden, würden weniger emotionsbeladen geführt werden, wenn es nicht mehr um die reine political correctness ginge, sondern auch die Mehrheitsgesellschaft erkennt, weshalb wir gewisse Begriffe, weshalb wir gewisse Bezeichnungen schmerzlich finden. Und deswegen sollte es ein gemeinsamer Prozess sein, in dem beide Seiten ein Stück weit voneinander lernen können, sich annähern können, dass es aber nicht am Ende so aussieht, dass eine Seite der anderen was aufoktroyieren will, sondern dass beide Seite einfach zusammenkommen in solchen Prozessen. Also es sollte nicht nur… Die Community sollte jetzt nicht nur Schulbücher zum Beispiel vorgeben, sondern das sollte im gemeinsamen Miteinander entstehen.