Marianne Ballé Moudoumbou ist Diplom-Dolmetscherin und firmiert unter dem Namen “Mulongwa-mwa-Bito” / Mu-To Verlag seit 2005 in Potsdam.  Sie engagiert sich in breitem Bündnis für eine offizielle Anerkennung der während der „Maafa“ – Große Zerstörung - verübten Völkermorde und Verbrechen und für entsprechende Entschädigungen.

Marianne Ballé Moudoumbou ist Diplom-Dolmetscherin und firmiert unter dem Namen “Mulongwa-mwa-Bito” / Mu-To Verlag seit 2005 in Potsdam.  Sie engagiert sich in breitem Bündnis für eine offizielle Anerkennung der während der „Maafa“ – Große Zerstörung - verübten Völkermorde und Verbrechen und für entsprechende Entschädigungen.

Sie ist in vielen Organisationen (ehrenamtlich) engagiert: als Mitbegründerin und stellvertretende Vorsitzende des Zentralrat der Afrikanischen Gemeinde in Deutschland, Mitglied in der Vollversammlung der IHK Potsdam, Mitglied im Sprecherrat von VENROB e.V., dem Netzwerk entwicklungspolitischer Gruppen, Initiativen und Vereine im Land Brandenburg, NGO-Vertreterin in der Stiftung Nord-Süd-Brücken, Mitbegründerin des Komitees für ein Afrikanisches Denkmal als auch Sprecherin von Pan-African Women’s Empowerment & Liberation (PAWLO-Germany) e.V.

„Ich mag die Wörter „Kolonie“ und „Kolonialismus“ nicht! „colo“ bedeutet auf Latein „pflegen“- ich sehe nicht, was das mit “Pflege” zu tun hat. Für mich ist das Maafa. Das bedeutet große Zerstörung auf Kiswahili. Und da kommen wir der Wahrheit etwas näher. Also das, wo Genozide stattgefunden haben, Vergewaltigungen, Folter - das kann man nicht mehr als “Kolonialismus” bezeichnen!”

 - MARIANNE BALLÉ MOUDOUMBOU

„Ich mag die Wörter „Kolonie“ und „Kolonialismus“ nicht! „colo“ bedeutet auf Latein „pflegen“- ich sehe nicht, was das mit “Pflege” zu tun hat. Für mich ist das Maafa. Das bedeutet große Zerstörung auf Kiswahili. Und da kommen wir der Wahrheit etwas näher. Also das, wo Genozide stattgefunden haben, Vergewaltigungen, Folter - das kann man nicht mehr als “Kolonialismus” bezeichnen!”

 - MARIANNE BALLÉ MOUDOUMBOU


Welches Wort fällt Ihnen zum Humboldt Forum / Berliner Schloss ein?

Das Neue im alten Format. Und zwar hat das damit zu tun, dass natürlich viele von den Gegenständen, die ausgestellt werden, aus anderen [kolonialen] Sammlungen kommen. Das bedeutet das ist sozusagen eine Art von Recycling, aber nach denselben [alten] Methoden. Das bedeutet, dass viele von diesen Gegenständen noch nicht überprüft wurden in Bezug auf ihre Herkunft, das heißt in Bezug auf den Weg, den sie gemacht haben, um sich in Berlin zu befinden. Und wie Sie, wie wir wissen, gibt es viele Güter, also viele Gegenstände – auch Kunstgegenstände oder sogar Gebeine- die einen sehr tragischen Weg hinter sich haben, um sich jetzt in Berlin zu befinden. Das heißt, diese [Provenienz-] Arbeit wurde noch nicht geleistet.

Glauben Sie, Deutschland sollte an die vom Genozid 1904-08 betroffenen und damals enteigneten Herero und Nama-Gemeinschaften Reparationen zahlen?

Es hat mit Erinnerungskultur zu tun. Ich wundere mich, dass [der] Genozid noch nicht anerkannt wurde. Deutschland hat auf andere Nationen und Länder hingewiesen und hat sich fast darüber lustig gemacht, dass es so schwierig ist, einen Genozid anzuerkennen. Aber wie sieht es mit Maafa, mit dieser großen Zerstörung – von der Versklavung bis hin zu der zu der Gegenwart – und mit den Auswirkungen, die die Ovaherero und Nama zu ertragen haben [aus]?! Ich glaube es ist höchste Zeit, dass Reparationen geleistet werden und das soll stattfinden in Einvernehmen, das heißt in Abstimmung mit den Communities von den Ovaherero und Nama, die noch bis zum heutigen Tag darunter zu leiden haben.

Glauben Sie, dass in Berlin ein zentrales Mahnmal und ein Informationszentrum zum Versklavungshandel / Kolonialismus / Rassismus errichtet werden sollte?

Ich gehöre zu den Menschen, die ein Komitee zur Errichtung eines afrikanischen Mahnmals initiiert haben. Und wenn wir das schon machen, dann bedeutet das, dass wir es sehr notwendig finden. Und was bei dieser Initiative sehr wichtig ist, ist, dass wir das aus den Perspektiven der in Anführungszeichen „Betroffenen“, das heißt aus den Perspektiven der Menschen, die unmittelbare afrikanische oder historische afrikanische Wurzeln haben, [darstellen wollen]. Damit wir eine Stimme bekommen, und dass wir eine vielfältige Darstellung dieser tragischen Zeit auch geben können.

Was sagen Sie zu den zahlreichen menschlichen Gebeinen aus dem Globalen Süden in deutschen Museumssammlungen?

Ein einziges Wort: Schande! Ich glaube (das) [die Rückgabe] ist eine der Forderungen, [die] aus dem Kongress der Ovahereros und Namas [hervorgegangen ist]. Es darf keine Forschung über uns durchgeführt werden, ohne unsere Zustimmung! Sehen Sie, das ist so wie mit den Namen von Communities und Menschen, die immer noch nicht geändert wurden. Man spricht immer noch von „I-“, obwohl es ein Irrtum von Kolumbus war. Es gibt Sachen, die 500 Jahre später, 300 Jahre später, ein Jahrhundert später sich nicht ändern, warum ist es so? Und es ist höchste Zeit, dass es passiert! Es darf keine Forschung in diesem Sinne gemacht werden und ich gehe noch weiter: Die Menschen, die in der Nazizeit tätig waren, sind ab und zu [auch] die Menschen, die noch für andere, für soziale Angelegenheiten [noch] zuständig waren. Das ist zum Beispiel der Fall für Sintis und Romas. Und das ist eine Schande! Es kann nicht sein, dass die Gebeine von Menschen noch irgendwo in Museen aufbewahrt werden! Ich glaube es ist höchste Zeit, dass es sich ändert!

Für wie wichtig halten Sie die (gleichberechtigte und konzeptionelle) Beteiligung der Nachfahren Kolonisierter an Maßnahmen zur Aufarbeitung der Kolonialvergangenheit (Reparationsverhandlungen, Museen, Ausstellungen, Schulbuchdarstellungen, Straßenbenennungen, etc.)?

Also wo Genozide stattgefunden haben, Vergewaltigungen, Folterungen- kann man das nicht mehr als „Kolonialismus“ bezeichnen. Das erstmal. Und das ist genau der Punkt. Die Art und Weise wie eine Epoche bezeichnet wird, wie die Geschichte erzählt wird, das hat eine Auswirkung auf die Gegenwart und auf das innere Befinden der Menschen. Und wir sprechen von ganzheitlicher Gesundheit. Man kann nicht gesund sein, wenn man immer noch unter den unter den Auswirkungen einer solchen Zerstörungen leidet. Und es gehört einfach zu der Menschenwürde sich damit beschäftigen zu können, sich an einem anderen Wiederaufbau [zu beteiligen]. Und Wiederaufbau das bedeutet natürlich auch materiellen Wiederaufbau, aber das hat auch eine spirituelle Dimension. Und solange alle Menschen, die irgendwie damit zu tun haben – unmittelbar oder direkt oder indirekt – sich nicht an solch einem Prozess beteiligen, dann kann man nicht von Gleichberechtigung sprechen; da kann man nicht einmal von Menschenwürde sprechen und noch weniger von Demokratie.

Es ist so schwierig überhaupt von Rassismus sprechen zu können! Es ist so schwierig sagen zu können, da ist Unheil passiert! Da sind Tragödien passiert. Geplante Genozide, geplante Folter, Massenfolterungen haben stattgefunden. Es ist so schwer das sagen zu dürfen! Und natürlich geht es auch um Fragen von “wie funktioniert Demokratie”, wie ist es möglich dafür zu sorgen dass alle Menschen sich an Prozessen beteiligen? Wie ist es mit Leadership?- diese Art von Fragen stellen sich. Aber ich glaube, dass es notwendig ist, sich diese Fragen zu stellen, damit ein gemeinsames, friedliches und auch fröhliches Zusammenleben möglich sein kann. 

Und in diesem Sinne, findet auch die UN Dekade für Menschen afrikanischer – also ich sag immer mit afrikanischen Wurzeln, das heißt eigentlich offiziell afrikanischer Abstammung- statt. Wichtig ist aber, dass Anerkennung, Gerechtigkeit, und Entwicklung die drei Pfeiler sind. Und bei Anerkennung und Gerechtigkeit geht es auch darum, Genozide die stattgefunden haben anzuerkennen. Und zwar Maßnahmen durchzuführen mit Beteiligung der betroffenen Communities. Und es ist höchste Zeit, dass es auch in Deutschland stattfindet. 

Und übrigens, wenn wir von der Beteiligung der entsprechenden Communities sprechen, ist es wichtig dass eine gleichberechtigte Beteiligung stattfindet. Das heißt, dass Frauen auch mitentscheiden können Und dass sie Zugang zu allen Bereichen der Verhandlungen, entsprechend der Resolution 1325 der UN für die Beteiligung von Frauen und für in allen Friedensprozessen und in allen Verhandlungen [haben]. Also das gilt auch für Ovaherero und Namas und ich glaube sie freuen sich schon drauf!