Hervé Tcheumeleu ist Geschäftsführer des Afrika Medien Zentrum e. V. in Berlin. Der Verein wurde mit dem Ziel gegründet, den interkulturellen Austausch unter Afrikaner_innen mit ihren unterschiedlichen kulturellen Hintergründen, sowie den Austausch mit der Mehrheitsgesellschaft zu fördern.

Hervé Tcheumeleu ist Geschäftsführer des Afrika Medien Zentrum e. V. in Berlin. Der Verein wurde mit dem Ziel gegründet, den interkulturellen Austausch unter Afrikaner_innen mit ihren unterschiedlichen kulturellen Hintergründen, sowie den Austausch mit der Mehrheitsgesellschaft zu fördern.

Zudem setzt er sich gegen Rassismus und Diskriminierung durch interkulturelle Bildung und eine faire Darstellung des Afrika-Bildes in Deutschland ein. Das Afrika Medien Zentrum organisiert alljährlich das KENAKO-Afrika-Festival auf dem Alexanderplatz und regelmäßige Lesungen, Workshops, Wanderausstellungen und Filmabende zu entwicklungspolitischen Themen, die den afrikanischen Kontinent betreffen.  

Außerdem gibt der Verein in Kooperation mit dem LoNam Verlag LoNam – das Afrika-Magazin und das Online-Sportmagazin „African Challenge“ heraus. Neben der Redaktion beherbergt das Medien Zentrum auch den einzigen afrikanischen Leseraum seiner Art in Berlin.

„Wenn es um einen Dialog der Kulturen geht, dann bedeutet das auch, dass alle beteiligten Kulturen gleichberechtigt an einem Tisch sitzen sollen und müssen, um das Projekt vorzubereiten."

 - Hervé Tcheumeleu

„Wenn es um einen Dialog der Kulturen geht, dann bedeutet das auch, dass alle beteiligten Kulturen gleichberechtigt an einem Tisch sitzen sollen und müssen, um das Projekt vorzubereiten."

 - Hervé Tcheumeleu


Welches Wort fällt Ihnen zum Humboldt Forum / Berliner Schloss ein?

Das ist ein sehr gutes Projekt, aber mit vielen fragwürdigen Methoden. Und warum: Das Projekt an sich selbst, einen Dialog der Kulturen zu fördern und zu präsentieren ist großartig, aber wie geht man mit diesen Kulturen um , mit den Menschen, die im Prinzip davon betroffen sind? Wie geht man mit denen um? Tritt man in Kontakt mit diesen Leuten? Redet man mit diesen Leuten? Oder, wenn es Gespräche gibt – weil ich weiß, dass es Gespräche gab und gibt – aber, was für ein Gespräch ist das? Ist das ein Gespräch, wo man nur sagt, was man tut, ohne zu hören, was die anderen davon denken? Das heißt: Man bestimmt und man denkt, dass der eigene Wille wichtiger ist, als der der wirklich Betroffenen. Weil: Was wird dann dort stehen? Ich spreche von de] Problematik: Wenn es darum geht, die Kultur Deutschlands zu zeigen – warum nicht? Das ist sehr gut. Immerhin ist Berlin die Hauptstadt und das Kaisergebäude ist auch eine Geschichte Deutschlands. Wenn es darum geht auch die Geschichte anderer Bevölkerungen darzustellen, dann denke ich, dass es nur möglich wäre in Kontakt und in Absprache mit diesen Leuten. Und, das ist, warum ich sage: Das ist eine fragwürdige Methode.

Glauben Sie, Deutschland sollte an die vom Genozid 1904-08 betroffenen und damals enteigneten Herero und Nama-Gemeinschaften Reparationen zahlen?

Auf jeden Fall, ja. Ich möchte nicht mit anderen Bevölkerungsgruppen vergleichen, aber man sieht, was mit anderen Gruppen passiert, wo Deutschland Reparationen zahlt, gezahlt hat und immernoch zahlt, sei es an die Griechen, sei es an die Juden, sei es an Frankreich.
Das hat die Geschichte so gerichtet. Aber, warum, warum wird es nicht bei Afrikanern gemacht? Warum wird das nicht für Leute von Herero, Nama Abstammung, die Leute aus Benin, aus Kamerun sogar, aus Togo, warum wird es nicht gemacht? Die Antwort auf diese Frage, habe ich nicht, weil ich das nicht verstehen kann.

Glauben Sie, dass in Berlin ein zentrales Mahnmal und ein Informationszentrum zum Versklavungshandel / Kolonialismus / Rassismus errichtet werden sollte?

Auf jeden Fall, ja. Ich glaube, Berlin, mit seinen Positionen, mit seinem historischen Hintergrund – immerhin wurde hier 1885 die Berliner Konferenz ausgerichtet, wo Afrika wirklich, wie ein Stück Kuchen, geteilt wurde. Das heißt: Es muss… Es ist eine Frage der Weltoffenheit – man sagt immer: Berlin ist eine offene Stadt. Man sagt immer: Deutschland ist, ich würde sagen nicht, multikulturell. Nur das, nur aufgrund dieser Verantwortung, dass die Welt immer globalisierter wird, dass ein Teil der Bevölkerung, die hier lebt- die Geschichte dieses Teils nicht kritisch anerkannt wird- und, vor allem, diskriminiert wird, allein schon aus diesem Grund sollte es – für mich- ein Mahnmal geben.

Was sagen Sie zu den zahlreichen menschlichen Gebeinen aus dem Globalen Süden in deutschen Museumssammlungen?

Es ist für mich schwierig, über andere Länder zu sprechen. Ich kann nur für den Fall Kamerun sprechen – ich komme selber aus Kamerun – und ich bin Bamileke und ich weiß, was mit unseren Ahnen passiert. Ich selbst muss jetzt in weniger als einem Monat nach Hause gehen, um meinen verstorbenen Vater zu ehren. Er ist schon beerdigt, ich war schon da, aber ich muss wieder hingehen, um ihn zu ehren. Und, das ist wichtig für unsere Tradition und das erlaubt mir und gibt mir mein Gleichgewicht. Das heißt: Wenn man mich von diesen Resten [Gebeinen] meines verstorbenen Vaters trennt, hat man etwas, was mir gehört, rausgenommen, von mir selbst. Und das ist was ich denke, über die Reste, die Überreste von Herero und Nama und allen anderen. Weil ich glaube: Jeder Mensch braucht sein Gleichgewicht und jeder Mensch hat seinen Glauben und seine Methoden, um dieses Gleichgewicht zu erreichen. Und für uns, für viele Länder Afrikas und vor allem für mich als Bamileke – Kamerun ist die Ehrung des verstorbenen Ururvaters, des Vaters, der Mutter, ein ganz besonderer Akt. Und indem diese Überreste hier in Deutschland bleiben, verwehrt man vielen Nachkommen dieser Verstorbenen ihr Gleichgewicht zu haben und das finde ich eine Schande.

Für wie wichtig halten Sie die (gleichberechtigte und konzeptionelle) Beteiligung der Nachfahren Kolonisierter an Maßnahmen zur Aufarbeitung der Kolonialvergangenheit (Reparationsverhandlungen, Museen, Ausstellungen, Schulbuchdarstellungen, Straßenbenennungen, etc.)?

Ich glaube das habe ich schon am Anfang gesagt: Das Humboldtforum wird Dialog der Kulturen genannt, als Geschenk von Deutschland an die Welt, so sagen sie. Wenn es um einen Dialog der Kulturen geht, bedeutet das auch, dass alle beteiligten Kulturen gleichberechtigt an einem Tisch sitzen sollen und müssen, um das Projekt vorzubereiten. Das ist einfach so.

Woran liegt es, dass diese Beteiligung nicht stattfindet?

Ich glaube, es hatte sehr viele politische Hintergründe. Es ist die Angst. Es ist die Angst, dass, wenn man anerkennt, was in der Geschichte passiert ist, dass es dann zu Reparationen, Klagen und so weiter kommen muss.
Ich weiß, dass kleine Schritte in diese Richtung gemacht werden. Es wird schon im deutschen Parlament diskutiert. Aber es braucht eine richtige Anerkennung und vor allem eine Bitte um Verzeihung. Das muss jetzt passieren. Und, meine Sorge und meine Frage ist immer: Warum wird das bei anderen Völkern gemacht – ich wiederhole: griechische Geschichte, Franzosen, ich will es nicht sagen: die Juden. Warum wurde es, wird es bei anderen Völkern gesagt und gemacht? Warum nicht bei den Afrikanern, die 100 Jahre so massakriert, versklavt und immer noch diskriminiert werden?