Zur Person
Mnyaka Sururu Mboro geboren und aufgewachsen in Tansania, kam 1978 zum Studium nach Deutschland und blieb dann in Berlin. Er ist Vorstandsmitglied und Mitbegründer von Berlin Postkolonial e.V. und engagiert sich seit Jahrzehnten für eine kritische Auseinandersetzung mit dem deutschen Kolonialismus.
Mnyaka Sururu Mboro geboren und aufgewachsen in Tansania, kam 1978 zum Studium nach Deutschland und blieb dann in Berlin. Er ist Vorstandsmitglied und Mitbegründer von Berlin Postkolonial e.V. und engagiert sich seit Jahrzehnten für eine kritische Auseinandersetzung mit dem deutschen Kolonialismus.
Eines seiner zentralen Anliegen ist die Rückgabe menschlicher Gebeine, die während der deutschen Kolonialzeit verschleppt wurden und sich bis heute in den Sammlungsbeständen der Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK), der Berliner Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte (BGAEU) sowie anderer Institutionen in ganz Deutschland befinden.
„Es geht nicht darum, die Geschichte auszulöschen. Es geht sogar darum, die Geschichte noch lebendiger zu machen - in kritischer Art.“
- MNYAKA SURURU MBORO
„Es geht nicht darum, die Geschichte auszulöschen. Es geht sogar darum, die Geschichte noch lebendiger zu machen - in kritischer Art.“
- MNYAKA SURURU MBORO
Transkript
Welches Wort fällt Ihnen zum Humboldt Forum / Berliner Schloss ein?
Ich frage mich immer, warum wird das Schloss wieder gebaut? Geht es hier darum, die Kolonialisten zu ehren? Oder was wollen sie uns zeigen? Ich sehe, das ist nicht nur rassistisch. Für mich ist das hier sehr sehr colonialism. Ich würde das auch nicht als neuen colonialism betrachten, ich gehe von dem vergangenen colonialism aus und ich sehe viele, die immer noch diesen Gedanken im Kopf haben: Einen Platz an der Sonne wieder zu haben.
Glauben Sie, Deutschland sollte an die vom Genozid 1904-08 betroffenen und damals enteigneten Herero und Nama-Gemeinschaften Reparationen zahlen?
Reparationen- ja, die müssen zahlen. Aber ich glaube, man hat uns immer noch nicht verstanden. Wir Afrikaner, wenn wir von Reparationen reden, reden wir von mehr Entschuldigung. Und bei uns, wenn jemand einem anderen etwas Schlechtes tut, dann müssen die doch wieder zusammenkommen und er muss etwas zahlen. Entweder er bereitet so und so viel Trunk vor, zu dem die anderen auch zusammenkommen. Und dann, ja wirklich- dann sind wir wieder Freunde. Und man kann nicht nur mit leeren Worten damit umgehen. Immerhin geht es hier nicht um Reparationen, es geht um Entschuldigung! Wenn man sich schon entschuldigt hätte, würden wir vielleicht nicht so hart sein bezüglich der Reparationen. Aber immerhin was wollen wir als Reparationen eigentlich, wir Afrikaner? Wir wollen das Land, den Boden! Es ist für uns wie eine Mutter für ein Kind. Weil dieser Boden das ist, was uns ernährt. Und das wurde von uns weggenommen. Wie sollen wir uns ernähren? Wie sollen wir uns ernähren? Also wenn wir von Reparationen reden – in dieser Form- sollte man schon viel bedenken: Die, die das Land besetzen, und das ist ja über 80 Prozent, die, die das Land besetzen, müssen irgendwie finanziert werden, damit die das Land verlassen und das Land uns wieder zurückgeben. Und das sind die Reparationen von denen wir reden! Weil man hat uns ja noch nicht verstanden, von welchen Reparationen wir reden: Wir reden nicht von Cash! Unbedingt überhaupt nicht! Und Cash wäre sowieso überhaupt nicht akzeptabel, wenn wir das Land wieder von diesen Besetzern, die da sind zurück haben können! Ob man die Kolonialisten nennt oder nicht Kolonialisten nennt, aber für uns, wir Afrikaner sehen die als Kolonialisten. Weil das [Land], das haben die von ihren Vorfahren, die echte deutsche Kolonialisten gewesen waren, geerbt. Oder wenn das jemand später gekauft hat, wie kann man so etwas tun?! Wenn man ganz genau weiß, wem das Land gehört?! Und man bedenkt auch nicht: Wir sitzen daneben, wir haben gar kein Land und das kennen wir, das ist unser Land! Wir haben auch nicht mal genug um unsere Kinder zu ernähren und das ist unser Land! Und sollen wir nur so da sitzen?
Und es geht hier mehr darum diplomatisch zu sein, wenn wir von Reparationen reden, dass man weiß, was wir verlangen. Sonst könnte man auch wieder anders damit umgehen und wir wollen gar nicht wieder irgendeinen Krieg anfangen und und und. Wir müssen eine Lösung finden! Und um dann die Lösung zu finden, kann man mit solchen Methoden von vornherein herangehen: Reparation ist sehr sehr sehr wichtig. Entschuldigung. Und dann sehen wir, wie wir weiter zusammenkommen und zusammenarbeiten können.
Glauben Sie, dass in Berlin ein zentrales Mahnmal und ein Informationszentrum zum Versklavungshandel / Kolonialismus / Rassismus errichtet werden sollte?
Ich denke man sollte das auch errichten müssen. Weil es geht hier um die Geschichte. Es geht hier um diese ganzen historischen Ereignisse. Wir wollen, dass auch die späteren Generationen, davon lernen, was es ja wirklich war! Und wenn ich sehe- jetzt zum Beispiel hier in Deutschland, wenn ich versuche die Menschen hier zu fragen, ob die Deutschen auch Kolonialisten waren, sagen fast über 90 Prozent oder sogar mehr der Menschen: “Nein wir haben gar keine colonies gehabt”. Und wenn es schon so ein Denkmal da geben würde, würde es Menschen schon viel einfacher erreichen.
Aber auch eine andere Begründung: Wenn ich hier sehe, dass es für alle diese historischen Ereignisse und für viele andere Sachen Denkmäler gibt, da ein Denkmal, da ein Denkmal; warum ist kein Denkmal für Versklavung, Kolonialismus und Rassismus da? Und da laufen wir Gefahr… Deswegen findest du die Pegidas, die so stark sind und und und. Weil die denken: “Jawohl, das war richtig was wir gemacht haben und das können wir auch noch machen”. Weil es gar keinen gibt, der das beurteilt. Gar keiner redet davon!
Was sagen Sie zu den zahlreichen menschlichen Gebeinen aus dem Globalen Süden in deutschen Museumssammlungen?
Ja ich frage mich, wenn man die Verstorbenen irgendwo in Depots, im Keller und im Regal lagert- ich frage mich: Ist das europäisch? Oder ist das christlich? Und wenn es so ist, wir Afrikaner aber, wir sind nicht so. Es ist egal wie die umgekommen sind. Obwohl wir wissen, meistens wurden sie erhängt und geköpft und hierher gebracht für rassistische Forschungen. Aber es wäre Zeit, dass man die zurückbringt und auch die Kosten übernimmt und das möchte ich bekräftigen, damit wir unsere Toten nach unserem Ritual und Traditionen beerdigen können. Weil für uns ist es sehr sehr sehr bedeutend. Und hier komme ich zu meinem Dorf, wo ich herkomme. Es gibt hier einen Kopf von unserem Mangi, Mangi ist ja der Häuptling, Meli. Er wurde erhängt von den Deutschen und geköpft und ist bis jetzt immer noch irgendwo hier in Deutschland. Und bei uns, wenn es Regenzeit ist und dann die Regen nicht kommen oder irgendeine Naturkatastrophe passiert, dann sagt man: Der Grund ist, dass wir unseren Mangi noch nicht beerdigen konnten. Außerdem, von den vielen Erinnerungen und und werden wir so traurig. Und es gibt bei uns viele, die nicht glauben, dass wirklich die Sachen hier im Regal sind. Wenn ich zuhause bin versuche ich das zu erzählen, aber die denken, dass ich nur Märchen erzähle, weil “die Europäer sehr sehr gute Christen sind und und und… und so kann man nicht mit dem Tod umgehen. Die sagen sogar von mir, dass ich versuche sie zu belügen, weil sie nicht in Europa sind. Und sogar die meisten von meinem Dorf… Damals als ich das erste Mal hierher kam, wurde ich auch von meiner Oma beauftragt, den Kopf von Mangi Meli zu suchen und ihn zurückzubringen. Dann haben die erwartet, und dann denken sie natürlich, dass ich nur versuche einen Umweg zu finden, sie belüge, weil ich mich nicht mehr darum kümmere. Und es ist traurig, aber es ist nun so. Und wirklich manchmal, wenn ich den Leuten da erzähle, versuche ich es ganz anders zu erzählen, das was sie hören wollen. Weil im Glauben, wie man hier [in Deutschland/Europa] mit Menschen umgeht und und und… Es ist nicht so wie es hier [im Dorf] dargestellt ist.
Für wie wichtig halten Sie die (gleichberechtigte und konzeptionelle) Beteiligung der Nachfahren Kolonisierter an Maßnahmen zur Aufarbeitung der Kolonialvergangenheit (Reparationsverhandlungen, Museen, Ausstellungen, Schulbuchdarstellungen, Straßenbenennungen, etc.)?
Wir haben schon vorher über ein Denkmal geredet, was es hier überhaupt nicht mal gibt. Im Gegenteil, was ich hier sehe sind diese ganzen diskriminierenden, rassistischen, kolonialistischen Straßennamen, die da sind. Die ehren sogar die Verbrecher, die meine Vorfahren kolonisiert haben, die werden hier geehrt. Und so wie ich auch gesagt habe, es glaubt gar keiner zuhause, dass es so ist. Also es ist sehr sehr sehr wichtig. Und der zweite Grund ist z.B. was wir, die Nachfahren von Kolonisierten, denken. Was ich denke oder wie ich das sehe: Man versucht mir zu sagen: “Ihr seid immer noch Kolonisierte!”. Und das ist das Bild, was ich sehe. Und deswegen verlangen wir die Umbenennung von diesen bestimmten Straßen, die die Kolonialisten ehren. Es geht nicht darum, die Geschichte auszulöschen, sondern es geht darum die Geschichte mehr noch lebendiger zu machen, weil wir das in der kritischen Art versuchen! Die Straßen sind da, die Namen sind da, aber die meisten, die wissen nicht. Diese Geschichte betrifft zwei Seiten, es betrifft nicht nur eine Seite. Und ich kann mir nicht vorstellen, wie nur eine Seite das bearbeiten kann. Das ist mir… Es geht hier nicht um Demokratie und und und – überhaupt ja gar nicht! Es ist die Geschichte, es betrifft mich und dich! Also wir müssen da beide mitarbeiten. Meine… Du musst hören, wie ich mich fühle und ich höre wie du fühlst und wir bringen es zu Papier. Es ist unsere gemeinsame Geschichte, aber nicht einseitig! Und wenn es so einseitig ist, das bringt mich wieder zurück zur Kolonialzeit.