Lucia Murìel, geboren in Ecuador, ist Diplompsychologin, Geschäftsführerin und Fachpromotorin bei moveGLOBAL e. V. mit dem Schwerpunkt  Stärkung der migrantisch diasporischen Gesellschaft. Zudem ist sie Vorsitzende des MEPa e. V. und Mitglied des Kuratoriums von Engagement Global (Engagement Global gGmbH – Service für Entwicklungsinitiativen ist die Ansprechpartnerin in Deutschland für entwicklungspolitisches Engagement, deutschlandweit und international).

Lucia Murìel, geboren in Ecuador, ist Diplompsychologin, Geschäftsführerin und Fachpromotorin bei moveGLOBAL e. V. mit dem Schwerpunkt  Stärkung der migrantisch diasporischen Gesellschaft. Zudem ist sie Vorsitzende des MEPa e. V. und Mitglied des Kuratoriums von Engagement Global (Engagement Global gGmbH – Service für Entwicklungsinitiativen ist die Ansprechpartnerin in Deutschland für entwicklungspolitisches Engagement, deutschlandweit und international).

moveGLOBAL e.V. ist ein Verband migrantisch diasporischer Organisationen in der Einen Welt mit dem Ziel diese effektiv zu vernetzen und zu qualifizieren. moveGLOBAL trägt dazu bei, dass Förderungen die migrantischdiasporischen Organisationen als entwicklungspolitische Akteure in der Gesellschaft etablieren. Dabei will moveGLOBAL dass entwicklungspolitische Räume von antikolonialen, antirassistischen, emanzipatorischen Dialog geprägt werden.

„Das Ausmaß der Schäden, die man dort hinterlassen hat, auf der menschlichen, sozialen, politischen, ökologischen Ebene, sind meiner Meinung nach noch lange nicht erfasst! [...] Wir wissen allerdings heutzutage mehr darüber, dass Völker, die einmal so ein Trauma durchgemacht haben, solche Verbrechen erlebt haben, auf dem eigenen Boden, von fremden Eroberern, dass diese Traumata über Generationen lang wirken.”

 - LUCIA MURÌEL

„Das Ausmaß der Schäden, die man dort hinterlassen hat, auf der menschlichen, sozialen, politischen, ökologischen Ebene, sind meiner Meinung nach noch lange nicht erfasst! [...] Wir wissen allerdings heutzutage mehr darüber, dass Völker, die einmal so ein Trauma durchgemacht haben, solche Verbrechen erlebt haben, auf dem eigenen Boden, von fremden Eroberern, dass diese Traumata über Generationen lang wirken.”

 - LUCIA MURÌEL


Welches Wort fällt Ihnen zum Humboldt Forum / Berliner Schloss ein?

Ja, das Erste woran ich denke sind die vielen geraubten Schätze, die darin sozusagen aufbewahrt werden. Aber schließlich dazu dienen, dass besonders das weiße Publikum sich diese Schätze in der Weise aneignet, dass sie selbstverständlich wieder und wieder und wieder davon ausgehen, dass es hierher gehört, dass es zu ihnen gehört, in ihre Museen. Das ist immer das Erste woran ich denke.

Glauben Sie, Deutschland sollte an die vom Genozid 1904-08 betroffenen und damals enteigneten Herero und Nama-Gemeinschaften Reparationen zahlen?

Ich bin auf jeden Fall dafür, dass auch da Reparationskosten, Reparationsrückzahlungen gemacht werden müssen! Das Ausmaß von der Schädigung, die man dort hinterlassen hat, auf der menschlichen, sozialen, politischen, ökologischen Seite, sind meiner Meinung nach noch lange nicht erfasst! Wir wissen ja überhaupt nur sehr wenig über den Schaden, den man dort angestellt hat. Und wir wissen aber allerdings auch heutzutage mehr darüber, dass Völker, die einmal so ein Trauma durchgemacht haben, solche Verbrechen erlebt haben auf dem eigenen Boden sozusagen von fremden Eroberern, dass diese Traumata über Generationen lang sozusagen auch wirken. Und auch, dass dort, wo Traumata über lange Zeit wirken, eine normale Entwicklung nicht möglich ist. Vieles wird sozusagen damit einfach lange beschädigt. Diese Kenntnisse haben wir so langsam erst heute, aber wenig über das, was es bei Völkern anrichtet. Und es ist Zeit, dass man sich damit beschäftigt und dass man dann die Reparationsmaßnahmen sozusagen an diesen Schädigungen auch misst. Und selbstverständlich an diesen Verbrechen, kolonialen Verbrechen. Wir sind zwar noch weit weg, aber wir müssen das Maximale fordern! 

Glauben Sie, dass in Berlin ein zentrales Mahnmal und ein Informationszentrum zum Versklavungshandel / Kolonialismus / Rassismus errichtet werden sollte?

Ja, selbstverständlich bin ich davon überzeugt, dass wir das in Berlin haben müssen und auch selber mal planen oder konzipieren müssen! Warum denke ich, dass das so notwendig ist?- Weil der Kolonialismus mit den Folgen noch nicht zu Ende ist. Die Menschen, die aus dem Globalen Süden nach Europa kommen – auch nach Deutschland kommen – stehen bis heute immer noch hier unter Diskriminierungen, unter Benachteiligung, unter Generalverdacht, auch unter so vielen negativen Vorstellungen beziehungsweise  negativen Diskriminierungen und auch Ausgrenzungen, so dass sich dieses koloniale Verhältnis sich leider weiter vererbt hat. Und daran muss einfach erinnert werden, darüber muss ein Bewusstsein geschaffen werden, dass die Kolonialzeit nicht so im 15. Jahrhundert mal angefangen hat und im 18. Jahrhundert zu Ende gegangen ist, sondern dass wir sozusagen immer noch Folgen, oder Generationen, Kinder sozusagen, von dieser ganzen Geschichte sind. 

Was sagen Sie zu den zahlreichen menschlichen Gebeinen aus dem Globalen Süden in deutschen Museumssammlungen?

Ja, selbstverständlich bin ich davon überzeugt, dass wir das in Berlin haben müssen und auch selber mal planen oder konzipieren müssen! Warum denke ich, dass das so notwendig ist?- Weil der Kolonialismus mit den Folgen noch nicht zu Ende ist. Die Menschen, die aus dem Globalen Süden nach Europa kommen – auch nach Deutschland kommen – stehen bis heute immer noch hier unter Diskriminierungen, unter Benachteiligung, unter Generalverdacht, auch unter so vielen negativen Vorstellungen beziehungsweise  negativen Diskriminierungen und auch Ausgrenzungen, so dass sich dieses koloniale Verhältnis sich leider weiter vererbt hat. Und daran muss einfach erinnert werden, darüber muss ein Bewusstsein geschaffen werden, dass die Kolonialzeit nicht so im 15. Jahrhundert mal angefangen hat und im 18. Jahrhundert zu Ende gegangen ist, sondern dass wir sozusagen immer noch Folgen, oder Generationen, Kinder sozusagen, von dieser ganzen Geschichte sind. 

Für wie wichtig halten Sie die (gleichberechtigte und konzeptionelle) Beteiligung der Nachfahren Kolonisierter an Maßnahmen zur Aufarbeitung der Kolonialvergangenheit (Reparationsverhandlungen, Museen, Ausstellungen, Schulbuchdarstellungen, Straßenbenennungen, etc.)?

Also ich hab da auch ein bisschen ein Problem mit dem Begriff „gleichberechtigt“ oder mit dieser Bezeichnung. Also es gibt ja keine Geschichtsschreibung auf Augenhöhe! Und von daher sollten wir eigentlich fordern, dass jetzt eine Geschichtsschreibung von diesen Völkern, von den Nachfahren der Kolonialzeit geschrieben werden muss und geschrieben werden darf und auch veröffentlicht werden muss! Wir kennen bisher nur die weiße männliche Geschichtsschreibung über die Menschheitsgeschichte überhaupt. Das muss verändert werden und das kann nicht auf Augenhöhe sozusagen passieren, sondern wir müssen tatsächlich einfach umgekehrt einmal starten, dass die sozusagen weiße deutsche Geschichtsschreiber einmal für ein Jahrhundert still sind und die anderen ihre Geschichte aufarbeiten und forschen und erzählen, präsentieren und sie auch in unser Bewusstsein bringen dürfen und sie auch in die schulische Erziehung einwirken muss! Und danach, wenn das mal so wäre, dann könnte man sehen: “Okay, was haben die einen erzählt, was haben die anderen erzählt.” Aber bisher haben wir das nicht, ja. 

Also es gibt ja zum Beispiel in Bolivien eine, also sehr viele dekoloniale Forderungen, in Brasilien auch, dann auch aus den asiatischen Ländern, die kolonisiert wurden, Indien und so weiter, dass wir versuchen eine globale Forderung zu stellen. Der Kolonialismus ist auch ein globales Ereignis gewesen, und die Verhältnisse sind heute auch nach wie vor Globaler Norden – Globaler Süden, sodass man versuchen sollte diese ganz lokalen Forderungen ein bisschen zu überwinden, und da wirklich regional übergreifend auch Forderungen zu stellen, was Reparationskosten, was Aufarbeitung der Geschichte betrifft und so weiter. Das ist wirklich für mich noch ein großes Anliegen.